Wertschätzung mit Kamm und Klinge. „Haare schneiden fürs Klinikpersonal“ ist ein voller Erfolg. Friseur Günther Fischer dabei.

2022-11-14 15:30:01 By : Mr. John Zhang

Kaufbeuren/Landkreis – Friseure können nicht nur Haare und Styling. Sie hören auch zu, machen Mut und geben einem nach dem Besuch beim Haarkünstler ein wunderbares Gefühl. Im Falle der Aktion „Haare schneiden fürs Klinikpersonal“ zeigten zahlreiche Friseure der Region zudem Respekt, Anerkennung und Wertschätzung gegenüber dem Einsatz, den die Mitarbeiter der Ostallgäuer Krankenhäuser und der Klinik in Kaufbeuren seit Beginn der Corona-Krise geleistet haben. An zwei Montagen im Februar waren 40 Salons dem Aufruf der Friseurinnung Ostallgäu gefolgt und hatten Pflegekräfte gratis mit ihrem Können verwöhnt. Für Günther Fischer, Inhaber von „Art of Hair“ in Kaufbeuren, stand außer Frage, dass er sich an der Aktion beteiligen würde.

Eine gelungene Frisur macht fröhlich, stolz und glücklich. Das Selbstbewusstsein wird regelrecht auffrisiert, denn ein guter Friseur hat immer auch ein offenes Ohr für die Sorgen, den Kummer und die Geschichten seiner Kunden. Jeder Salonbesuch ist eine kleine Auszeit, und das Kümmern um sich selbst wichtig für Gesundheit und Wohlbefinden. Das sei etwas, was den Pflegekräften der Kliniken seit langem fehlt, bemerkte Obermeisterin der Friseurinnung Ostallgäu, Sandra Gareiß in Gesprächen mit Kundinnen aus der Pflege. Sie habe den Druck spüren können, dem die Pflegekräfte ausgesetzt sind. „Und auch die Enttäuschung darüber, dass von den vielen Unterstützungsangeboten und Zusagen aus der Politik nur wenig im Alltag der Pflegekräfte angekommen ist“, berichtet sie. In Gareiß reifte die Idee einer eigenen Aktion, die schließlich konkrete Formen annahm.

Am Montag, 7. Februar und Montag, 14. Februar, war es dann so weit. Neben 39 weiteren Friseurbetrieben machte Günther Fischer in seinem Salon die Türen auf und spendete mehr als nur Applaus. 20 Fachkräfte aus der Pflege empfing er. Am ersten Tag der Aktion gemeinsam mit Ehefrau und ebenfalls Friseurin Sandra Fischer, am vergangenen Montag mit Tochter Celine. „Ich mache das, was ich gerne mache: Haare schneiden“, sagte Fischer. Zwei Tage lang frisierte, kämmte, wusch, föhnte, färbte und dauerwellte er für den guten Zweck. „Ich sehe kein Geld dafür und will auch keins“, betonte der Friseur.

Das Klinikpersonal habe eine Liste der teilnehmenden Friseurstudios und einen Gutschein bekommen, um sich dann für einen Termin zu melden. Fischer selbst konnte nicht annähernd so viele Termine vergeben, wie er es gerne getan hätte. „Das tut mir sehr leid, aber wir wollen uns auch Zeit nehmen und die Leute verwöhnen.“ Gesagt, getan. Während Celine einer Inten-

sivpflegekraft die langen Haare mit einem Glätteisen zu Locken eindreht, beginnt Fischer mit dem Haarschnitt einer Krankenschwester der Gynäkologie. Einen kurzen Moment darf die junge Frau ihre Maske dafür abnehmen. „Jetzt sehe ich ja erst, wie hübsch du bist“, hält der Profi die Hände in Kinnhöhe. Es soll ein sogenannter Longbob werden. Da fallen mindestens 15 Zentimeter der Haarpracht. Die Krankenschwester aber strahlt.

Die zweite Kundin berichtet vom Alltag auf der Intensivstation. Die Omikronwelle bringe aktuell zwar weniger Patienten auf Station, allerdings würden immer mehr Mitarbeiter wegen Infektionen mit dem Coronavirus ausfallen oder seien bereits im Burnout. Einige hätten auch gekündigt. Fischer erzählt, dass viele Pflegekräfte auch die Situation der Friseure angesprochen hätten, die ebenfalls durch Corona-Maßnahmen gebeutelt wurden. Das habe ihn gefreut. „Wochenlang keine Einnahmen auf dem Konto, das war hart“, berichtet der Haarkünstler. Kollegen, die keine Reserven hatten, seien in ihrer Existenz bedroht und nicht wenige hätte das in die Schwarzarbeit getrieben. „Das schadet den regulär arbeitenden Betrieben.“

Es wird geföhnt, gekämmt und mit den Händen durch die Haare gewuschelt. Nach wenigen Minuten steht die Frau mit glänzenden braunen Locken in der Tür. „Das hatte ich noch nie!“ sagt sie begeistert. Auch der Longbob nimmt Form an. Die Trägerin freut sich auf das neue Styling.

Birgit Wölfl von der Kreishandwerkerschaft Ostallgäu/Kaufbeuren war an beiden Tagen mit im Salon und durfte sich vom Erfolg der Aktion überzeugen. „Die Damen und Mädels, die bei Günther zum Haareschneiden waren, sind am Ende des Besuches total happy, glücklich und dankbar gewesen. Auch für mich war diese Aktion sehr emotional“, berichtete sie dem Kreisbote im Nachhinein. Am meisten beeindruckte sie die Dankbarkeit und Bescheidenheit des Pflegepersonals. „Uns haben sie bei der Aktion zurückgemeldet: Dieses Geschenk von den Friseuren anzunehmen, die es zu Corona-Zeiten auch schwer hatten, hat uns sehr berührt und war eine Wertschätzung der besonderen Art,“ berichtete Wölfl.

Etwa 240 Klinikmitarbeiter aus verschiedenen Bereichen haben sich pro Aktionstag verwöhnen lassen. Impressionen davon und die Teilnehmerbetriebe gibt es online bei Youtube unter „Friseurinnung Ostallgäu Aktion“.