Karin Henkel inszeniert Macbeth von Shakespeare in Hamburg

2022-11-14 15:27:50 By : Ms. merry chow

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Ein Aussätziger mit Blut an den Händen, noch bevor er zum Messer greift: Kristof Van Boven als Macbeth in Hamburg, im Hintergrund Kate Strong Bild: Lalo Jodlbauer

Wahnsinn, grässlicher, der von innen kommt: Karin Henkel inszeniert Shakespeares „Macbeth“ am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit strategischer Ignoranz.

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S eit Tagen schon reißt er die Augen auf. Frisst die Angst an ihm. Ist sein Kopf „voller Skorpione“. Auf der Folterbank des Denkens treibt ihn seine Phantasie in einen ruhelosen Wahn. Von Anfang an ist dieser Macbeth ein Geisterseher. Nicht erst bei der Krönungsfeier sieht er die blutüberströmten Ebenbilder seiner hingemeuchelten Feinde, sondern von Beginn an: Dieser machtgierige Herrscher ist ein psychopathisches Phantom, das sich überall in Gefahr wähnt. Deswegen zuckt und zappelt, grinst und greint er auch so, um aller Welt deutlich zu machen: Hier ist einer gefährdet, hier ist einer anders. „Was ist normal?“ ruft Kristof Van Boven an diesem Abend ins Hamburger Premierenpublikum und meint die Frage tödlich ernst.

Auf einer weiten, schrägen Fläche spielt sich die Szene ab. Ein leerer Raum, mit nichts gefüllt außer blutiger Phantasie. Von oben lässt die altmeisterliche Bühnenbildnerin Katrin Brack dann und wann weiße Papiergirlanden herabhängen – das wirkt, als hätte da oben einer ein Fest verordnet, zu dem hier unten niemand erscheinen will. Stattdessen verliert sich der Mensch in Fieberträumen und Angstvisionen.

Dieser Macbeth ist kein Mörder. Er denkt sich seine Morde nur aus. Aber ist das weniger schlimm? Was ist wirklich, was nicht? „Nichts ist, außer was nicht ist“, flucht er. Die Krankheit, an der dieser verhinderte Feldherr leidet, ist nicht Machtsucht, sondern Wahnwitz. In seinem Kopf balgen sich düstere Vorstellungen. Die lassen ihn schreien und flüstern. Ein Kinderchor tritt auf. Zwei Dutzend kleine Unschuldsengel, weniger Hexen als „weird sisters“, unheimliche Schwestern in schwarz-weißer Schuluniform, die den Antihelden vor seinem zukünftigen Schicksal warnen. Aber sie übernehmen – angeleitet von ihren strengen Gouvernanten Kate Strong und Angelika Richter – auch die Rolle der Lady. Treiben ihn an, führen ihn vor, packen ihn bei seiner Männerehre. Aber da greifen sie ins Leere. Denn dieser Macbeth verweigert seinem Geschlecht die Gefolgschaft. So wie Kristof Van Boven ihn spielt, wie er ihn erscheinen lässt, muss man sagen, wie er ihn hinsetzt auf diese düstere, haltlose Schräge, hat er keinen Funken Testosteron im Leib.

Ein in sich verschlungenes Wesen, das die Augen lieber schließen als öffnen will, schlaflos seit Tagen, ohne Gefühl für den Lauf der Zeit. Nervös, verloren, ausgesetzt. Ein Aussätziger mit Blut an den Händen, noch bevor er zum Messer greift. Verletzt von seinen eigenen Phantasien. Van Boven spielt seine Rolle mit andauernd zuckenden Wimpern, keine Sekunde Pause gönnt er seinem Macbeth. Es ist, als ob er mit diesem ausdrucksvollen Spiel alle Unruhe aus sich heraustreiben und seiner Figur anhängen wollte. Ihn dabei zu beobachten, wie er über die Bühne rast und in die Hocke springt, sich aufbäumt, zuckend zu Boden stürzt und sich im Schlingern verausgabt, ist ein großes Ereignis.

Seine Stimme hebt und senkt sich, ohne je zu überdrehen. Nicht ums Karikieren geht es ihm, sondern ums Nach-Außen-Stülpen innerer Widerlichkeit. „Jetzt kenn ich mich und will mich nicht mehr kennen“, brüllt und warnt er. Ja, und dann mordet er auch, dieser Macbeth, trennt mit einer akkubetriebenen Schneidemaschine den Kopf seines engsten Vertrauten ab und verpackt ihn in einer Plastiktüte. Aber im Vergleich zu seinen selbstzerstörerischen Spasmen wirkt das geradezu possierlich. Nicht so sehr eine Gefährdung für andere stellt dieser Macbeth dar, vor allem ist er Gefahr für sich selbst. Eine gigantische Selbstinszenierung ist das Ganze, ein einsames Krönungsfest ohne Gäste.

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